Erwin Lanc: Herrschaftssysteme des Globalkapitalismus

20/05/2015 19:00

Vortrag im Rahmen des

 

Symposiums aus Anlass des 85. Geburtstags von Bundesminister a.D. Erwin Lanc
"HERRSCHAFTSINSTRUMENTE DES GLOBALKAPITALISMUS"

 

organisiert von der Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Wirtschaftspolitik (WIWIPOL)

 

Ich unterscheide zwischen natürlich vorhandenen und von Menschen bewusst geschaffenen Herrschaftsinstrumenten des heutigen Kapitalismus.

Die vielgelästerte Spekulation ist Triebfeder menschlichen Handelns. Als junger Mensch spekuliere ich darauf welche Ausbildung mir ein höheres Einkommen, besseres, interessanteres Leben verspricht, welches Outfit beim anderen oder auch gleichen Geschlecht mir mehr Chancen bei der Partnerwahl eröffnet, usw. Es geht dabei um materiellen, aber auch ideellen Gewinn.

Ohne diese Art von Spekulation hätten sich keine Hochkulturen entwickeln können. Die private Spekulation des Einzelnen, nicht durch unverrückbare religiöse Glaubenssätze behindert, schafft durch ihre Verwirklichungsbemühungen Reibungsflächen: Den Positionskampf der Individuen in der Gesellschaft.

In der Mehrzahl der Fälle in unserer neoliberal dominierten Gesellschaft, entscheiden aber nicht nur Fähigkeiten des Individuums, sondern auch sein materielles und geistiges Erbe. Deshalb der Ruf nach mehr Chancengleichheit, nach Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit im Sinne von Aristoteles zu üben wird heute im Abschluss von Gesellschaftsverträgen – bei uns heute vom Kollektivvertrag bis zur umfassenderen Sozialpartnerschaft – versucht.

Parlamentarisch beschlossenes Recht ist nicht eo ipso als gesatzte Gerechtigkeit anzusehen; das haben schon Hans Kelsen und Max Weber gewusst. Demokratisch gewählte Staatsorgane beschließen, siehe Irakkrieg (USA) und Krimeinverleibung (Russische Föderation), auch Kriege und Unrecht. Habermas hat deshalb eine Weltinnenpolitik verlangt. Der Oberschlesier Otfried Höffe sieht, in Anlehnung an Kant, eine „Weltrepublik“. Die Entwicklung ginge heute schon in Richtung einer sanften Weltstaatlichkeit, meinte er 2008; mir ist sie in den 7 Jahren seither zu sanft.

Da ein Perspektivenwechsel der Regierungen nicht zu erwarten ist, müssten die Bevölkerungen diesen Wechsel prämieren; ich vergröbere: Dazu zwingen. Davon ist aber nichts zu bemerken. Die „Occupy Wallstreet Bewegung“ wurde im Stich gelassen.

Unterbelichtet ist bisher die Rolle, die traditionelle, teils fast archaische Herrschaftsformen, als Regulatoren des heutigen globalen Kapitalismus spielen. Ihre durch Tradition und/oder Religion fundierte Herrschaft über die Wirtschaftsgüter ihrer Länder macht sie – Beispiel Gas- und Erdölwirtschaft im Nahen Osten – zu global players. Sie treiben 1973 durch Gründung der OPEC die Preise in die Höhe und bauen sich Dubai, Doha, Abu Dhabi usw. Und wenn Ihnen Fracking gefährlich wird senken sie den Preis, um diese Konkurrenz entweder auszuschalten oder aufzukaufen. Diese und andere Kartelle bestimmen das Angebot und damit den Preis und Profit. Deshalb bohren Gazprom und neuerdings Shell in der Arktis.

Die Schäden, soweit überhaupt reparierbar, die die BP beim großen Bohrunfall beim Golf von Mexiko verursacht hat, wurden von den USA mit 40 Mrd. USD – etwa ein Jahresgewinn von BP – beziffert; aber selbst die USA konnten nicht mehr als 8 Mrd. Schadenersatz herausholen, denn man kann einen Krieg führen, aber nicht gegen BP.

500 Weltkonzerne kontrollieren mehr als die Hälfte des weltweiten Bruttosozialprodukts, wies kürzlich mein alter Freund Jean Ziegler nach; aber wieso konnten sie sich so positionieren?

Alle rein ökonomischen Analysen übersehen, dass demokratisch gewählte, aber vergleichsweise zu den Superreichen besitzlose Regierungen laufend an Regulierungsmöglichkeiten verlieren; die sind aber schon vom Ökonomen Adam Smith als Voraussetzung für eine funktionsfähige Marktwirtschaft bezeichnet worden. Die militärische Macht Nummer 1 in der Welt sind nach wie vor die USA: Ihre Waffenproduktion ist über viele Bundesstaaten verteilt. Die jeweiligen Kandidaten für Repräsentantenhaus und Senat brauchen das Geld der Reichen und die Wählerunterstützung der Rüstungsarbeiterschaft, um gewählt zu werden. Selbst wenn ein Präsident wie Barack Obama die militärische Interventionspolitik seines Vorgängers bremst und beim Militär 150 000 Mann einspart: Das Budget für Rüstungsforschung- und Produktion wird nicht angetastet, ja sogar erhöht. Dazu kommen Exporte: 8 der 10 größten Waffenexporteure der Welt sind Firmen mit Sitz in den USA; sie sind profitabel und Stützen der Expansionspolitik anderer US-Großkonzerne. Bei schweren konventionellen Waffen, haben andere Rüstungsproduzenten mehr Butter auf dem Kopf. Zwischen 2009 und 2013 war der Exportanteil der USA an konventionellen Waffen 29%, Russland 27%, EU 22%, Ukraine 3%, Israel 2% und China 6%.

Das Bretton Woods Abkommen mit dem US Dollar als Bezugswährung ist der Finanzierung des verlorenen Vietnamkrieges der USA 1972 zum Opfer gefallen. Der Wert des Dollars wurde zeitweise mehr als halbiert – Inhaber des USD wurden dementsprechend zu unfreiwilligen Mitfinanciers des Vietnam-Desasters – und Präsident Nixon spielte bald darauf in Peking Tischtennis. Ein Bretton Woods Instrument ist geblieben: der International Monetary Fund (IMF). Er wird von den USA gemeinsam mit ihren Satelliten aus Europa und Japan beherrscht, auch wenn jetzt Madame Lagarde, eine konservative Französin, Chefin ist. Er stützt ökonomisch brustschwache Länder – vielfach frühere Kolonien europäischer Mächte – verlangt Sparmaßnahmen im nationalen Budget (siehe Griechenland) und fordert Öffnung gegenüber Produkten hochentwickelter Volkswirtschaften.

Als die britische Kronkolonie Uganda in die Unabhängigkeit entlassen wurde, regierten ehemalige Militärs der britischen Kolonialarmee -wie Idi Amin und Milton Obote: 15 Jahre Blutbad mit über 2 Mio. Toten und zuletzt nur mehr 35% männliche Bevölkerung; Uganda war auch wirtschaftlich am Boden.

Das National Resistance Movement (NRM), dessen Programm im österreichischen Exil in Unterolberndorf beschlossen wurde, führte - nach Übernahme der Macht 10 Jahre hindurch - für afrikanische Verhältnisse einmalig, eine mit der Bevölkerung aller Ethnien diskutierte Verfassung ein und hielt freie Wahlen ab.

Der IMF verweigerte ihnen einen auch nur teilweisen Erlass der Schulden, die die mordenden Diktatoren vorher gemacht hatten. Für Demokratieförderung war der IMF nicht zuständig.

Die Marktöffnung in den kolonialen Nachfolgestaaten führte in vielen Fällen zu einer totalen Eroberung durch internationale Firmen, denn sie hatten ja keine örtlichen Konkurrenten. Der Aufbau einer eigenen Industrie und Landwirtschaft wurde damit verhindert. Auf diesen Märkten konnte und kann man Preis und damit Profit selbst bestimmen.

Die Investitionstätigkeit der Weltbank hatte oftmals ähnliche Effekte. Ihr Vizepräsident Prof. Stiglitz ist ja deshalb schon vor Jahren zurückgetreten. Auch bei Freihandelsvertragsverhandlungen im Rahmen des GATT war man nicht zimperlich. 1983 kam die indische Premierministerin Indira Ghandi nach Österreich, um an den Alpbacher Wirtschaftsgesprächen teilzunehmen. Ich flog mit ihr nach Innsbruck und gab sie dann Dr. Kreisky weiter. Beim Hinflug beklagte sie mir gegenüber, dass die USA von Indien einen Verzicht auf Textillieferungen in die USA verlangen. Andernfalls stimmen sie einem Handelsabkommen im Rahmen des GATT, heute WTO, nicht zu.

Seit 2001 verhindern die Industriestaaten als Vertreter der Agrarexporteure und Schützer subventionierter Agrarmärkte in der EU, in den USA, Kanada und Australien, eine Einigung über einen weltumfassenden Freihandelsvertrag, obwohl man in 18 von insgesamt 20 Verhandlungspunkten bereits Einigung erzielt hatte. Dafür machen jetzt die EU, USA, Japan und Australien eigene bilaterale Verträge. Da kommen sie besser weg. Also keine Weltinnenpolitik a la Habermas, sondern regionale Freihandelsabkommen der wirtschaftlich Mächtigen: USA/Kanada, EU und China. Im Taschenformat auch Putins Zollunion mit Belarus und Kasachstan.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman äußerte sich zu den TTIP Verhandlungen. „Da muss was dahinter stecken“, meinte er, „wenn die Wirtschaft der USA so für dieses Abkommen eintritt“, denn der behauptete Wohlstandsgewinn sei nicht zu erwarten.

Noch gibt es keinen Weltkrieg, aber Kriege auf der ganzen Welt. Viele davon sind jener politischen und wirtschaftlichen Rücksichtslosigkeit geschuldet, die sich vielleicht mit dem Zeitabstand der heute Regierenden vom Zweiten Weltkrieg erklärt, aber nicht hingenommen werden kann. Wollen wir – diesmal in Ausübung unserer EU-Mitgliedschaft – wieder „nach Ostland fahren“? Dass sich Balten und Polen fürchten ist menschlich verständlich, politisch kontraproduktiv.

Der Aufreger unserer Tage ist die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, die Angst vor dem neuerlichen Versagen des globalen Kapitalismus und insbesondere seiner Finanzindustrie – die zum Beispiel in der Londoner City 1 ½ Mio. Menschen beschäftigt. Ein Teil davon fälscht dann die LIBOR Zinssätze. LIBOR ist die „London Interbank Offered Rate, das ist der Referenzzinssatz für unbesicherte Geldmarktkredite, zumeist zwischen Banken“.

Am 30.04.2001 hat mir ein leider zu früh verstorbener Freund, Universitätsprofessor Dr. Egon Matzner, unter dem Titel „Argumente für eine neue Regelung der globalen Finanzen“ einen Text geschickt. Darin bezog er sich auf das im Jahre 2000 in den USA erschienene Buch „Global Finances at Risk“ von John Eatwell (Univ. Prof. und Mitglied des britischen Oberhauses) und Vance Taylor (New York University) und auf ein Buch von Jan Toporowski „The End of Finance: Capital Market Inflation, Financial Derivatives and Pension Fund Capitalism“.

Die vor 15 Jahren festgestellten Fakten von Eatwell und Taylor:

Die Deregulierung der Finanzmärkte hat 1997 zur Asienkrise geführt und hat die Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den USA verursacht.

Deshalb soll eine World-Finance-Authority (WFT) gegründet werden.

Von Toporowski:

Die Förderung der privaten Pensionsfonds bei gleichzeitiger Drosselung der öffentlichen Pensionen wird dann gefährlich, wenn die Auszahlungen der privaten Fonds die Prämienzuflüsse übertreffen.

Um hohe Einlagenzinsen zahlen zu können gingen die US Saving Banks in den 80er und 90er Jahren riskante Veranlagungen ein: Ohne hindernde Regulierungs-bestimmungen des Staates. Die Steuerzahler der USA wurden dafür unter der Reagan Administration mit 150 Mrd. USD belastet.

US Pensionsfonds kauften in den 80er Jahren eine 9%ige argentinische Staatsanleihe von angeblich bester Bonität; aber diese Bonität bestätigte eine Rating Firma auf den Cayman Inseln, die den Emmitenten gehörten. Die US Pensionsfonds stürzten sich darauf – und verloren ihr Geld. Dafür hatte der US Steuerzahler ebenfalls aufzukommen. Letzter Fall wurde in den USA dokumentiert und publiziert; leider nicht in deutscher Sprache. Warum wohl?

 

Wer entscheidet, ob eine Bank, ein Staat, eine Gesellschaft für eingegangene Schulden wie viel Prozente an seinen Gläubiger zahlen muss? Standard and Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings dominieren diesen Markt zu 95%.

Größter Gesellschafter von Moody’s mit zeitweise bis zu 40% war die Berkshire Hathaway Company von Warren Buffet, heute immer noch mit 13% der größte Gesellschafter. Moody’s Umsatzrendite liegt bei bis zu 40% per Anno. Und der Großinvestor Warren Buffet hat natürlich keine Ahnung, wie die von Moody’s überprüften Unternehmen finanziell dastehen. Für seine Investmententscheidungen muss er sich daher auf seinen berühmten Riecher verlassen. Berkshire Hathaway macht daher nur mickrige 13-15% Jahresgewinn. Es stört ihn allerdings, dass seine Sekretärin prozentuell mehr Steuern als er bezahlt.

Weder Eatwell und Taylor noch Toporowski nahmen an, dass Regulierung zu Finanzierungseinbußen führt. Sie konnten allerdings Basel III und seine Umsetzung auf dem Rücken kleiner Kreditnehmer nicht vorhersehen, denn die sind zumeist kapitalschwach und können daher den Banken keine Basel III Assets liefern.

Nach dem Ende fixer Kurse um den USD begann das bis dahin renommierte Bankhaus Herrstatt in Köln mit intern schwachen und extern völlig fehlenden Kontrollen Devisenspekulation zu betreiben und scheiterte Ende 1974.

Bei der Banco Ambrosiano – Hauptaktionär Vatikan-Bank – gründete man 200 Geisterbanken, darunter die Cisalpina auf den Bahamas, Waschanstalt für Kokaingelder. Schließlich sollten gefälschte Wertpapiere das Finanzloch stopfen. Bankpräsident Calvi, der Mailänder Erzbischof, und Michele Sidona wurden wegen Geldwäsche, Unterschlagung und Beteiligung an politischen Verbrechen der rechtsradikalen Loge P2 angeklagt. Als österreichischer Innenminister erhielt ich die Anfrage, ob Calvi hierher geflüchtet ist. Kurze Zeit darauf baumelte er an der Tower-Bridge in London – erhängt oder gehängt.

Die Baring Bank, durch Einlagen der Royal Family geadelt, kollabierte durch eine riesige Yen-Fehlspekulation ihres Cheftraders Leeson 1995. Diese Fälle und die Krisen des ausgehenden 20. Jhd. in Chile, Mexiko, Brasilien, Asien und schließlich Russland sowie der „long term capital management (LMTC) Hedge Fonds 1997“ sind Folge der Ermöglichung von Luftgeschäften gewesen; sogenannte Ponzi-Finanzierungen.

Ich teile daher die vor 14 Jahren geäußerte Ansicht Matzners, dass die Aufgabe des Bretton Woods Devisen – Wechselkurssystems 1973, die Quelle des Übels ist. An die Stelle eines Devisentermingeschäfts, gebunden an die Zahlungsziele von Waren – od. Dienstleistungsgeschäften, wird seither losgelöst vom Güteraustausch, gehedged.

Laut Eatwell, Taylor und Toporowski soll die Privatisierung des Risikos außerdem wesentlich zur Verlangsamung des Wachstums in den Industriestaaten beigetragen haben. Zusätzlich hat die ungehinderte Zirkulation der Finanzströme durch moderne Kommunikationstechnologie diesen Prozess beschleunigt, das systemische Risiko erhöht. Daher der Widerstand der City gegen alle Finanztransaktionssteuern, die einen ohnehin bescheidenen Teil der börslichen Windfall-Profits absaugen sollen.

Bricht eine Bank zusammen, reißt sie alles mit; siehe Haider-Bank.

Von der Kurssicherung realer Transaktionen hat sich der Kapitalmarkt hin zur Finanzspekulation entwickelt. Wer da nicht mitmacht, geht unter. Die Eigentümer verlangen höhere Gewinne, als durch langfristige Finanzierungen von Investments in die Realwirtschaft erzielbar.

Soros hat 1992 mit Erfolg gegen Lira und britisches Pfund spekuliert. Aus seinen Gewinnen hat er seither Veranstaltungen mitfinanziert, deren Zielrichtung die Ausbreitung der politischen und wirtschaftlichen Segnungen des globalen Kapitalismus war und ist. Natürlich auch der Demokratie.

Gegen systemische Risiken gibt es keine Versicherung. Die Prämien wären zu hoch, also unbezahlbar. Daher trägt die Kosten aus Systemfehlern der Finanzarchitektur die Allgemeinheit a la Haider-Bank.

Matzner und die von ihm zitierten Autoren haben zwecks Regulierung der Finanzmärkte die World Finance Authority (WFA) vorgeschlagen. Sie soll:

  1. Ein Wechselkursband zwischen USD, Euro, Yen und mittlerweile wohl auch Renminbi (zu Deutsch: Volkswährung) einführen.
  2. die generelle Wiedereinführung von Kontrollen kurzfristiger Kapitaleinfuhren bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – aus heutiger Sicht auch Überarbeitung von Basel III bringen
  3. die Erhöhung der Kosten für Derivatgeschäfte einführen. Finanz-mediatoren müssen ihre Geschäfte mit eigenem Kapital unterlegen.
  4. Der IMF soll die Rolle des „Lender of Last Resort“ geschlossen übernehmen, ausgestattet mit globaler Jurisdiktion. Das setzt natürlich einen totalen Umbau in der Entscheidungsfindung des IMF voraus.

Ökonomen können Vorschläge machen. Für ihre Umsetzung ist aber jedenfalls formal die Politik zuständig.

Über Initiative der Sozialdemokraten, unterstützt von den Nachfahren der sozialen Marktwirtschaft im Christdemokratischen Lager, wurde vor Jahren die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die auf der alten Tobin Tax beruht und Arbitragegewinne besteuern soll, vorgeschlagen. Die Londoner City hat das bisher verhindert – die Frankfurter Börse ist auch froh.

Bei dem vorher erwähnten Wechselkursband wäre ein spekulatives Auseinanderlaufen der Wechselkurse der Weltwährungen, hervorgerufen durch unterschiedliche Geldpolitiken der Zentralbanken – Lockerung wie bei der Europäischen Zentralbank und in Japan gegen Straffung durch die Federal Reserve Bank der USA – nicht möglich. Die Aletti Gestielle SGR SpA in Mailand verdoppelte daher innerhalb von zwei Jahren ihr Engagement auf dem Devisenmarkt auf über 3 Mrd. USD. Auch Millennium London stellt wachsendes Kundeninteresse fest, mit Hilfe von Währungen zusätzliche Erträge zu generieren. Und da ist ja wirklich was drin: Der USD, Weltwährung noch Nummer 1, holte gegenüber der Nummer 2, dem Euro, in wenigen Monaten über 40% auf. Und in den letzten Tagen ging es wieder um 10% runter.

Die Spekulation auf Warenbörsen hat sich früher zum Beispiel auf Ernteeinschätzungen beschränkt, lag bei etwa 10% des Handelsvolumens; jetzt sind es bereits 30%. Bei dieser Situation auf den Märkten wagen es renommierte Wirtschaftswissenschaftler, Griechenland den Austritt aus der Eurozone zu empfehlen. Das rohstoffabhängige Europa würde ordentlich zur Kasse gebeten werden. Das wäre auch durch Preisvorteile im Export nicht wettzumachen.

Abwertungstheoretiker meinen, dann könne sich Griechenland wenigstens erholen. Mit Sonnenenergieerzeugung wäre dort kurzfristig was zu holen. Abgesehen davon, dass der europäische Strommarkt teilweise übersättigt ist und Deutschland nicht einmal das Leitungsproblem von seinen Windrädern in der Nordsee zu den süddeutschen Industriezentren gelöst hat, aber über 2000 km Leitungen , zum erheblichen Teil durch die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, nach den Verbrauchszentren der EU, wären problemlos. Ich komme damit zu einem wesentlichen Punkt: Nicht nur börslich oder außerbörslich wird spekuliert, sondern auch die politische Lage ignoriert. Die im Vergleich zu Griechenland wirtschaftlich starken Dänen haben ihre Krone behalten, müssen aber jetzt massiv intervenieren um ihren Wechselkurs zu verteidigen. Wie soll in einem solchen Umfeld das industriearme Griechenland eine selbstständige Währungspolitik schaffen?

Griechenland ist NATO-Mitglied. Es hat in der EU den höchsten Ausgabenanteil am Staatsbudget für das Militär, 4,4% des BIP. Hauptlieferant ist NATO-Bruder Deutschland. Für deutsche U-Boote, die Israel umsonst bekommen hat, müssen die Griechen natürlich zahlen. Will man die sicherlich nicht unproblematische Zipras-Regierung fertig machen? Warten vielleicht schon wieder Generäle, wie vor 1973? Negiert man das alte Misstrauen Griechenland-Türkei? Ist im Pulverfass Naher Osten nicht schon genug Sprengstoff?

Das in Verhandlung stehende Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ist nach meiner Meinung – die von Krugman kennen sie schon – Teil einer weltweiten Strategie der wirtschaftlichen Großmächte, nach der eingefrorenen Doha-Runde der WTO ihre Dominanz durch regionale Verträge zu sichern und damit ein Eindringen wirtschaftlich starker Konkurrenten in den eigenen regionalen Wirtschaftsbereich zu behindern. Das macht China mit den südostasiatischen Staaten einerseits, es versucht aber auch ein Freihandelsabkommen mit Japan und Südkorea zu schließen. Mit den BRIC Staaten soll zudem eine asiatische Entwicklungsbank gegründet werden. Die USA lehnen eine Teilnahme ab, sehen das offenbar als Konkurrenz für IMF und Weltbank. Das wird selbst von der ehemaligen Außenministern Madeleine Albright – des Maoismus unverdächtig – als schwerer Fehler bezeichnet.

Ich kenne die angeblich 1600 Seiten von TTIP nicht, maße mir daher kein endgültiges Urteil an. Wenn aber zwei der drei größten Wirtschaftsmächte, die USA und die EU, sich zusammentun, ist das eine neue Dimension. Das Hauptproblem ist aber nicht, welche Art oder Unart von Schiedsgerichtsbarkeit den Investoren auf beiden Seiten des Atlantiks zur Verfügung steht, sondern der Einmarsch großer Agrarkonzerne wie Monsanto, der schon bisher alles unternommen hat, um z.B. über Saatgut die Produktion der europäischen Landwirtschaft unter Kontrolle zu bekommen. Bekommt man den Markt in die Hand, bestimmt man die Preise und verdient unbehelligt.

Noch viel wesentlicher scheint mir aber zu sein, dass der Abschluss des Transatlantischen Freihandelsabkommens gleichzeitig den wirtschaftlichen und damit wohl auch politischen Ausschluss Russlands aus Europa bedeutet. Die EU würde endgültig Satrapie der USA. Prof. Dr. Heribert Dieter vom Institut für Internationale Politik und Sicherheit in Deutschland sieht das Ende des handelspolitischen Multilateralismus kommen und fürchtet im Gefolge dessen einen geostrategischen Großkonflikt. Er spricht von China und Russland als autoritäre, kapitalistische Staaten. In Russland machen die Energiewirtschaft und die unter staatlicher Kontrolle stehenden Oligarchen die Musik, in China führen KP Funktionäre küstenferner Provinzen ganze Schulklassen den Werkbänken der IT-Produzenten zu: 12- Stundentag, manchmal auch Sonntagsarbeit, Schlafboxen für mehrere Personen, dreiminütige Pausen für die Verrichtung der Notdurft hat vor einigen Jahren zu einem 16fachen Selbstmord geführt. Die internationale Presse hat das zwei Jahre lang ignoriert. Die journalistische Freiheit bewegt sich halt auch nur innerhalb der Grenzen, die die Medienmogulen a la Murdoch vorgeben. Im Internet gibt es Meinungsvielfalt: Sie kommt aber bisher nur mit Botschaften zu begrenzten, vorwiegend Umweltthemen, nicht aber mit gesellschaftspolitisch tiefgreifenden Themen durch, weil die offenbar nicht erkannt werden.

Der Völkerbund scheiterte an den Folgen nationalistischer Politik der Sieger des Ersten Weltkrieges mit Ausnahme von Woodrow Wilsons USA. Faschismus und Nationalsozialismus wurden solcherart gefördert, was bekanntlich zum Zweiten Weltkrieg führte.

Die UNO hingegen war ein Kind der einzigen militärischen und wirtschaftlichen Siegermacht des Zweiten Weltkrieges der USA.

Ideengeschichtlich ist die UNO eine Weiterentwicklung des Völkerbundes. Praktisch hat sie sich vornehmlich – und das ist keineswegs abwertend gemeint – zu einer internationalen Caritas entwickelt. Friedenstruppen sind im Einsatz, aber keine der Vetomächte hat der UNO die satzungsgemäß vorgesehene eigene Streitmacht zugestanden. Die großen Sünder bleiben unbestraft, die Vetomächte sowieso. Sie blockieren im Sicherheitsrat, was ihnen nicht passt. Hauptfinancier – manchmal sehr unwillig – sind die USA; mit Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien tragen sie 60% des normalen Budgets.

Dennoch ist die UNO ein Platz, der von Prestigeerwägungen losgelöste Begegnungen auch zwischen Streitparteien ermöglicht. Herrschaftsinstrument des Globalkapitalismus ist sie nicht. Da ist die G20 Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer bedeutender. Sie war eine Reaktion auf die Asienkrise 1997. Zuletzt traf man sich 2014 in Brisbane (Australien), heuer soll das Treffen in der Türkei stattfinden. Ohne völkerrechtliche Legitimation werden zwar nicht rechtlich aber faktisch bindende Finanz- und Wirtschaftsbeschlüsse gefasst. IMF, Weltbank, OECD, WTO, ILO und die UNO werden beigezogen. Den wirtschaftlichen und politischen Kern bilden aber die G7, zeitweise mit Russland G8. Da die offiziellen Papiere wenig aussagen darf man wohl annehmen, dass die tatsächliche Abstimmung der teilnehmenden Staaten eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Natürlich ist es unmöglich alle Herrschaftsinstrumente des Globalkapitalismus in einem kurzen Vortrag zusammenzufassen. Verstehen sie daher meine Ausführungen als Anregung dafür meine Wertungen zu hinterfragen aber noch wesentlichere Herrschaftsinstrumente zu entdecken.